Weißenburg: Nazis jagten alternative Jugendliche mit dem Auto (Dezember 2012)
Die gewalttätigen Nazi-Übergriffe in Weißenburg nehmen kein Ende. So schrieb das Weißenburger Landkreisbündnis gegen Rechts am 30. Dezember auf seiner Homepage unter anderem:
"Die rechtsradikale Szene in Weißenburg terrorisiert auch weiterhin die Stadtbevölkerung. Wie man dem Weißenburger Tagblatt vom 29. Dezember 2012 entnehmen kann, kam es in der Nacht des 26. Dezember 2012 fast zu einem schrecklichen Zusammenstoß im Römerbrunnenweg. Vier Jugendliche konnten sich, vor einem auf dem Gehsteig, mit hoher Geschwindigkeit fahrenden Auto nur mit einem Sprung in letzter Sekunde retten. Das Auto drehte im Anschluss um und es begann eine Jagd mit dem Auto. Die Jugendlichen trennten sich daraufhin, um die Verfolgung zu erschweren. Die Polizei ermittelt nur wegen 'Gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr' sowie diverser Ordnungswidrigkeiten."
Dem Landkreisbündnis zufolge handelte es sich um das Auto eines regional bekannten Neonazis. Die Nürnberger Nachrichten vom 31. Dezember berichteten, dass die Polizei kurz nach dem Auto-Angriff ein zur Beschreibung der Opfer passendes Fahrzeug anhielt, in dem "zwei polizeibekannte junge Männer, die dem rechten Spektrum zuzuordnen sind", saßen. Bereits Anfang November wurde ein Weißenburger Bündnissprecher durch einen Neonazi fast angefahren (wir berichteten).
Nürnberger Nachrichten ("Jagten Nazis mit dem Auto Menschen in Weißenburg?", 31.12.12): hier klicken!
München, NSU-Untersuchungsausschuss: Die Abschaffung des Asylrechts als Kampf gegen Neonazis - Fatale Geisteshaltung bayerischer "Spitzenbeamter" wird deutlich (Dezember 2012)
Nach mittlerweile zehn Sitzungen des bayerischen NSU-Untersuchungsausschusses und zwanzig Zeugenvernehmungen wird eines deutlich: Selbstzufriedenheit, Kritikimmunisierung und eine gefährliche Unterschätzung und Fehleinschätzung der rechten Szene gehen einher mit teilweise haarsträubenden ewiggestrigen politischen Positionen. So habe zuletzt ein pensionierter ehemaliger Ministerialdirigent namens Remmele die De-facto-Abschaffung des Asylrechts 1993 als "politische Lösung" bezeichnet. Politische Lösung für welches Problem? Na klar - "Der Anstieg der Zahl der Asylbewerber vor zwanzig Jahren sei 'synchron' zum Anstieg rechtsextremer Gewalttaten verlaufen" (Bayerische Staatszeitung 21.12.12). Kommentar überflüssig.
Bayerische Staatszeitung ("Geschwärzte Akten zur Mordserie", 21.12.12): hier klicken!, Süddeutsche Zeitung ("Aufklärung 'sträflich vernachlässigt'", 19.12.12): hier klicken!
Nürnberg: Ermittlungsverfahren gegen Gewerkschafter eingestellt. Massive Kritik an Polizeieinsatz gegen Nazi-GegnerInnen am 1. August in Langwasser (Dezember 2012)
Im Gegensatz zu Regensburg gab es an diesem ersten August in Nürnbergs Stadtteil Langwasser einen teilweise sehr brutalen Polizeieinsatz. AugenzeugInnen berichteten von grundlosen Knüppelschlägen und Reizgassprühereien. Die Empörung in den Tagen danach war groß. Genauso wie in Regensburg gab es in Nürnberg einen Versuch, den Nazi-Bus zu blockieren. In Regensburg wurden einige BlockiererInnen weggetragen, in Nürnberg dagegen gab es Polizeirandale (wir berichteten).
Heftige Kritik speziell an dem Einsatz der berüchtigten Polizeieinheit "USK" gab es jetzt bei einer Pressekonferenz. Nach dem ersten August wurde unter anderem gegen den stellvertretenden ver.di-Geschäftsführer Ulli Schneeweiß und den Bundestagsabgeordnete der Linken, Harald Weinberg, ermittelt. Das Verfahren gegen Schneeweiß wurde eingestellt. Er hat nun eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Polizei erhoben.
Nürnberger Nachrichten ("Ver.di-Funktionär Schneeweiß kritisiert die Polizei", 20.12.12): hier klicken!
Nürnberg: "Tiroler Höhe" als zentraler Nazitreff und zeitweiser organisatorischer Kristallisationspunkt der extrem rechten Szene der 1990er Jahre - galt das auch für Kontakte zwischen regionaler Naziszene und den späteren NSU-Mitgliedern? Was wussten Polizei und Verfassungsschutz noch? (Dezember 2012)
Nach den jüngsten Medienmeldungen über einen Besuch des späteren NSU-Terroristen Uwe Mundlos am 18. Februar 1995 in der damaligen Nürnberger Südstadtkneipe "Tiroler Höhe" haben wir weiter recherchiert und die Rechercheergebnisse bei einer Pressekonferenz am 14. Dezember bekannt gegeben.
Es begann alles sehr dubios: Ein gut informierter Mann, der seinen wirklichen Namen und seine Funktion nicht nennen wolte, rief im Mai 1994 einen damals antifaschistisch aktiven Nürnberger an und berichtete ihm sehr detailliert über regelmäßige Neonazitreffen in der Gaststätte "Tiroler Höhe". Diese Mitteilungen bestätigten sich in den darauf folgenden Monaten weitgehend. Der Rest der Geschichte ist bekannt (s. weitere Artikel zur "Tiroler Höhe" vom Dezember und Oktober 2012): Nach Veröffentlichung der Neonaziumtriebe und einer antifaschistischen Demonstration am 12. April 1995 endeten die Nazitreffen dort bzw. fanden woanders statt.
Bei den Recherchen wurde die zentrale Rolle der wohl meist unter NPD-Federführung laufenden nicht-öffentlichen Treffen Mitte der 1990er Jahre in der "Tiroler Höhe" deutlich: Auf der Basis der Organisation der laufenden NPD-Aktivitäten erfolgte eine intensive Vernetzung mit der militanten (bzw. noch militanteren) Neonaziszene, auch über die Region hinaus. Höhepunkt der überegionalen rechten Vernetzung war der "Nazi-Gipfel" am 25. März 1995 unter Anwesenheit von etwa 60 Neonazis. Neben NPD-Funktionären wie dem jetzigen Stadtrat der "Bürgerinitiative Ausländerstopp" Ralf Ollert waren auch VertreterInnen extrem rechter, "rechtspopulistischer" Parteien sowie die crème de la crème der damaligen militanten Naziszene anwesend, beispielsweise Friedhelm Busse, militanter Altnazi und u.a. ehemaliger Chef der zum Zeitpunkt des "Nazi-Gipfels" bereits verbotenen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP).
Wir erlauben uns folgende Kommentare und Fragen:
* Die Szene, aus der sich der lokale Unterstützerkreis der terroristischen NSU rekrutierte, traf sich vermutlich Mitte der 1990er Jahre in der "Tiroler Höhe"
* Die hiesige NPD/JN war eng mit der noch militanteren Naziszene verknüpft und stellte zu dieser Zeit ein wichtiges organisatorisches Rückgrat aller Alt- und Neonazis dar, auch über die Region hinaus
* Warum waren die späteren NSU-Terroristen in den Jahren 1995 und 1996 im Visier der hiesigen Polizei (Autobahnkontrolle 18.2.95, handgeschriebene Liste der Polizeidirektion Nürnberg vom 21.9.96)? Wer saß außer Mundlos noch im Auto?
* Sowohl Polizei als auch Verfassungsschutz (Süddeutsche Zeitung 10.4.95) hatten Kenntnisse vom "Nazi-Gipfel" in Nürnberg am 25. März 1995. Da wüsste man gerne Genaueres: Wer - neben den bisher bekannten Personen - nahm an dieser Veranstaltung teil? Waren darunter auch Personen aus dem späteren NSU-Umfeld bzw. NSU-Kern? Was genau wurde diskutiert? An welchen anderen Treffen in der "Tiroler Höhe" nahmen NSUlerInnen teil?
* Last but not least wäre auch interessant zu wissen: Wer informierte damals die lokale antifaschistische Szene über die Nazitreffen in der "Tiroler Höhe" und warum?
Nürnberger Zeitung ("NPD-Chef und NSU-Terroristen auf einem Bild", 14.12.12): hier klicken!, Endstation Rechts Bayern ("Nürnberg: »Tiroler Höhe« als zentraler Nazitreff und Kristallisationspunkt der extrem rechten Szene der 1990er Jahre", 16.12.12): hier klicken!, in Südthüringen.de ("Terror-Zelle: Offenbar enge Kontakte zur Nürnberger rechten Szene", 9.1.13): hier klicken! Weitere ausführliche Berichte finden sich in den Printausgaben von Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung vom 15. Dezember.
Region um Nürnberg: "Protest gegen Asylbewerber". Geht die rechte Saat auf? (Dezember 2012)
Die Nürnberger Nachrichten berichteten am 15. Dezember über Anwohnerproteste, aber auch über Unterstützung für AsylbewerberInnen in verschiedenen Orten (Artikel "Protest gegen Asylbewerber"). So befürchte ein mittelfränkischer Zahnarzt den Wertverfall seiner Immobilie, die in unmittelbarer Nachbarschaft einer Asylunterkunft liege. Anderenorts werde darauf verwiesen, dass die Nachbarstadt ja auch keine AsylbewerberInnen aufnehme usw. Der Berchinger Bürgermeister etwa spüre "deutliche Abneigung gegen die Menschen aus Irak, Iran oder Russland im Ort". Die teilweise durch SpitzenpolitikerInnen geschürte rechtspopulistische Saat geht auf bzw. beide Elemente (Rassismus in der Bevölkerung und flüchtlingsfeindliche Äußerungen von PolitikerInnen) schaukeln sich gegenseitig hoch. Neonazis freuen sich, denn für Sie entsteht dann ein hervorragendes Betätigungsfeld, wie sich bereits einige Male gezeigt hat. Dass sich trotz dieser üblen Entwicklungen vielerorts Menschen für die Flüchtlinge engagieren, lässt etwas hoffen...
Nürnberg: "Humorvolle" rechte Propaganda auf Facebook-Seite von Neonazi (Dezember 2012)
Der Nürnberger Neonazi und ehemalige NPD-Funktionär Rainer Biller postete zeitweise unter anderem Fotos von diversen Waffen, den Schriftzug "NSU" (Automarke, haha) und weitere Abbildungen "provokativer" Art auf seiner Facebook-Seite. So wurde ein Foto der NSU-Terroristin Beate Zschäpe kommentiert mit dem Satz: "Was für eine hübsche Frau sie doch ist unsere Beate". Das alles soll wohl "lustig" sein.
Nürnberger Zeitung ("Nürnberger Neonazi agitiert weiter auf Facebook", 14.12.12): hier klicken!
Nürnberg: Neonazi-Attacke auf Büro der Piraten? (Dezember 2012)
Laut nordbayern.de (6.12.12) sind zwei jüngere Männer im Alter von 19 und 26 Jahren beim Versuch ertappt worden, eine Reklametafel am Büro der Nürnberger Piraten zu zerstören. Möglicherweise demolierten sie auch noch den Briefkasten und brachten NPD-Aufkleber an.
nordbayern.de ("Randalierten Rechte bei den Nürnberger Piraten?", 6.12.12): hier klicken!
Nürnberg: Häufige Besuche von Mundlos und Böhnhardt in den 1990er Jahren? Die Polizei wusste offensichtlich die ganze Zeit mehr... (Dezember 2012)
Die Antwort auf einen aktuellen Beweisantrag der Grünen an die hiesige Polizei hat es in sich. Danach trafen sich die neonazistischen Mörder Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in den 1990er Jahren in der Nürnberger Gaststätte "Tiroler Höhe" nicht nur einmal mit anderen Neonazis. In der Gaststätte
fanden damals regelmäßig zentrale Treffen und Veranstaltungen von NPD und weiteren Neonazi-Gruppen statt (wir berichteten im Oktober 2012). Am 18. Februar 1995 wurde Uwe Mundlos, nachdem er eine der dortigen Veranstaltungen besucht hatte, auf der Autobahn nahe Nürnberg von der Polizei kontrolliert. Am gleichen Wochenende wurden laut taz vom 21. Februar 1995 "insgesamt 91 Neonazis und Punks (...) nach Pöbeleien in Gewahrsam genommen". Dies deutet auf größere Auseinandersetzungen mit militanten Neonazis hin. Die Nürnberger Nachrichten (5.12.12) berichten, die Gäste der "Tiroler Höhe" hätten an diesem Tag Scheiben eingeschlagen und "Heil Hitler" gegrölt.
Wie wir bereits berichteten, versammelte sich kurz darauf, nämlich am 25. März 1995, die Führungsriege der damaligen bundesdeutschen Neonazi-Szene in der "Tiroler Höhe" zur Strategiedebatte. Neben führenden Vertretern von NPD, DVU, "Deutsche Liga für Volk und Vaterland" und Republikanern waren auch Aktivisten der miltanten Naziszene anwesend. Einige von ihnen waren in den Jahren zuvor in nunmehr verbotenen Gruppierungen aktiv gewesen (darunter VSDB/PdA, FAP, NO, DA) und waren zum Teil wegen Gewalttaten und Sprengstoffdelikten vorbestraft. Um die 50 Neonazis diskutierten an diesem Tag über das Thema: "Nach dem verlorenen Superwahljahr - nationale Opposition wie geht's weiter?"
Nach der Aufdeckung des Nazitreffs und bei weitgehender Untätigkeit der Nürnberger Presse und Behörden mobilisierten schließlich linke und antifaschistische Kräfte für eine Demonstration am 12. April 1995. Das monatliche NPD-Treffen fiel daraufhin aus, der Wirt hatte sich angeblich von seinen rechten Gästen distanziert. 250 überweigend junge antifaschistische DemonstrantInnen drückten schließlich lautstark ihren Protest gegen den Nazitreffpunkt aus. Das Kapitel "Tiroler Höhe" war damit vorläufig geschlossen.
Ein weiteres Detail aus den Mitteilungen der Grünen ist interessant: "Außerdem erscheinen sowohl Böhnhardt als auch Mundlos auf einer Liste der Polizeidirektion Nürnberg vom 21.09.1996, die Personen der rechten Szene erfasst." Diese handschriftliche Liste soll laut Nürnberger Nachrichten (5.12.12) von einem Nürnberger Polizisten erstellt worden sein.
Homepage der Grünen Landtagsfraktion Bayern ("NSU: engere Kontakte nach Bayern als bisher bekannt", 4.12.12): hier klicken!, nordbayern.de ("NSU-Duo verkehrte regelmäßig in Nürnberg", 4.12.12): hier klicken!
Nürnberg: Der "SoKo Bosporus" lag eine erschreckend genau zutreffende Tatanalyse der rassistischen NSU-Morde und Bombenanschläge vor, die offensichtlich ignoriert wurde (Dezember 2012)
Der Kern der Nachricht ist nicht wirklich neu: Profiler des Landeskriminalamtes (LKA) Bayern hatten nach langer erfolgloser Tätersuche im Jahr 2006 eine neue Analyse vorgelegt. Es kämen rassistische Motive als Erklärung für die bis dato begangenen Morde an neun MigrantInnen in verschiedenen bundesdeutschen Städten in Frage.
Das nordrhein-westfälische TV-Magazin WESTPOL berichtete am vergangenen Wochenende über Details der damaligen Profiler-Analyse, die bisher nicht bekannt waren bzw. verschwiegen wurden. "Nicht eine Mafia-Organisation stecke hinter der Mordserie, sondern wahrscheinlich Rechtsextremisten. Die Morde seien 'Kommandoaktionen'. Motiv: Hass auf Türken, auf Ausländer. Eine fast exakte Beschreibung der NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Weiter heißt es in der Analyse: Die Mörder seien Ende der neunziger Jahre in der rechten Szene aktiv gewesen. Hätten sich zurückgezogen, um 'Aktionen durchzuführen'. Rechte Organisationen seien ihnen 'zu schwach'. Ein Täter habe eine 'professionelle Schießausbildung' – wahrscheinlich vom Militär. Heute ist klar: All dies trifft auf Mundlos und Böhnhardt zu. Trotz dieser Fall-Analyse fahndete die Polizei nicht bundesweit nach rechten Terroristen. (...) Die Profiler des LKA Bayern weisen in ihrem Bericht noch auf eine andere Spur hin: den Bombenschlag in der Kölner Keupstraße 2004. Sie gehen offenbar davon aus, dass es Parallelen zwischen der Mordserie und dem Bombenanschlag gibt."
Konsequenzen hatte diese Analyse, wie wir wissen, keine.
wdr.de ("Weiteres Behördenversagen im Fall NSU", 2.12.12): hier klicken!
Iphofen: Neonaziveranstaltung mit Teilnehmer aus NSU-Umfeld? (Dezember 2012)
Wie die Mainpost (2.12.12) berichtete, habe ein Neonazi, "dem Kontakte zum mordenden rechtsextremen Terrortrio aus Zwickau nachgesagt werden", an einem Nazitreffen in Iphofen teilgenommen. Einige EinwohnerInnen wollten gegen das rechte Treffen protestieren, "die Polizei unterband aber sicherheitshalber jede Konfrontation", was auch immer das bedeutet. Ein Neonazi habe Eier gegen ein ziviles Polizeiauto geworfen.
Mainpost ("Polizei überwacht Neonazi-Treffen", 2.12.12): hier klicken!
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