Fürth: Erneuter mutmaßlicher Neonazi-Anschlag auf aktive Nazigegner in Fürth (November 2011)
Wir dokumentieren an dieser Stelle eine aktuelle Presseerklärung des Fürther Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus sowie des Nürnberger Bündnis Nazistopp:
"Am späten Abend des 26. November 2011, gegen 22.30 Uhr, wurde in einer Fürther Innenstadtstraße ein Brandanschlag auf das Auto einer Familie verübt, die sich gegen Neonazismus engagiert. Der Brand wurde durch den Fahrer eines zufällig vorbeikommenden Autos wahrgenommen und begonnen zu löschen. Durch das schnelle Eingreifen des couragierten Passanten wurde ein Übergreifen auf weitere Autos und angrenzende Wohngebäude verhindert. Die herbeigerufene Feuerwehr löschte den Brand vollständig. Die Polizei nahm noch in der Nacht die Ermittlungen auf. Ein potenzielles Beweismittel (mit Heizöl getränkte Grillanzünder-Stücke) war jedoch bis zum Nachmittag des Folgetages nicht gesichert.
Durch einen mutmaßlichen Neonazi-Anschlag zerstörtes Auto in Fürth (Foto: Nürnberger Bündnis Nazistopp).
Eigene Ermittlungen im Tatumfeld am Folgetag führten zu Resten von Brandbeschleuniger auf einem Spielplatz – die Polizei wurde darauf hingewiesen.
Dies ist der vierte Terroranschlag auf Autos von NazigegnerInnen alleine in Fürth in den vergangenen drei Jahren. In diesem Zeitraum wurden durch Neonazis weitere massive Sachbeschädigungen, Bedrohungen sowie Körperverletzungsdelikte an NazigegnerInnen und MigrantInnen begangen. Ein Sachschaden von mittlerweile knapp 40.000 Euro ist entstanden. Keine der Sachbeschädigungen wurde bisher aufgeklärt!!
Nach dem Fast-Totschlag vom Nürnberger Plärrer Ende April 2010, begangen durch einen Fürther Neonazi, setzt sich nun die Terror-Serie offensichtlich fort.
Fürth, die angeblich sicherste Großstadt Deutschlands, ist offensichtlich gleichzeitig ein Zentrum rechter Gewalt. Bekanntermaßen ist Fürth ein Stützpunkt der Neonazi-Organisation „Freies Netz Süd“ und der „Bürgerinitiative Soziales Fürth“. In diesem Netzwerk sind die regionalen Neonazis organisiert und haben Verbindungen zu Faschisten über die mittelfränkischen Grenzen hinaus. Dies sollte auch den Behörden seit Langem bekannt sein. Was muss eigentlich noch alles passieren, dass die Anschlagserie in Fürth endlich beendet wird?
Stoppt den Naziterror in Fürth!"
Um Spenden wird gebeten:
bfg-bündnis g.R.
Kontonummer:201014684
Bankleitzahl:76260451
Raiffeisenbank Fürth
Kennwort: Solidarität
Am 28. November fand als Reaktion auf den Brandanschlag eine Spontandemonstration der "Antifaschistischen Linken Fürth" mit etwa 70 TeilnehmerInnen statt.
Fürther Nachrichten ("Zündeten Neonazis Fürther Linkem das Auto an?", 28.11.11): hier klicken!, Abendzeitung Nürnberg ("Auto ausgebrannt - waren es Neo-Nazis?", 28.11.11): hier klicken!, Fürther Nachrichten ("Anschlag auf Auto eines Nazi-Gegners", 29.11.11): hier klicken!, Süddeutsche Zeitung ("Im Fadenkreuz der Neonazis", 30.11.11): hier klicken!, Fürther Nachrichten ("Autobrand: Kripo ermittelt weiter", 2.12.11): hier klicken!, BR online ("Die dunkle Seite des Engagements", 5.12.11): hier klicken!
Weißenburg: Ein von Sinti bewohntes Haus wurde von Neonazis beschmiert, unter anderem mit einem Hakenkreuz. Parolen à la "Damals wie heute Hitlerleute" sind an der Tagesordnung. Gut besuchte antifaschistische Mahnwache - Naziüberfall auf das JuZ (November 2011)
Wie mehrfach berichtet, produziert die Neonaziszene aus Weißenburg und Umgebung derzeit jede Menge bedrohliche Flyer und Schmierereien. Neueste Beispiele neben den obligatorischen Hakenkreuzen unter anderem: "Wir kriegen euch alle" auf dem lokalen Jugendzentrum sowie "Damals wie heute Hitlerleute" am Bahnhof.
Der vorläufige Höhepunkt der Bedrohungswelle - zentrales Motiv von Nazipropaganda ist die Erzeugung von Angst und Feindseligkeit, die "Strategie der Spannung" - ist die Beschmierung eines von Sinti bewohnten Hauses mit einem Hakenkreuz. An einem anderen Gebäude wurde die Parole "Scheiß Zigeuner" hinterlassen.
In der letzten Zeit soll es auch am Grab des NS-Militärs Rudel in Dornhausen zu einem Nazitreffen gekommen sein. Der Spiegel 1/1983 berichtete über die Beerdigung Rudels in Dornhausen, bei der auch mehrere Kampfflugzeuge der Bundeswehr im Überflug "gegrüßt" hätten:
"Großen Beifall fand das Flieger-Adieu offensichtlich auch bei den meisten der über 2000 Trauergäste, die in Dornhausen von linkischen Verfassungsschutzbeamten beäugt und abgelichtet wurden: Die meisten waren alte Kameraden und junge Neonazis, rechte Gesinnungsgenossen und Parteifreunde Rudels, der sich auch nach dem Krieg als unverbesserlicher Nationalsozialist bewiesen und völkischen Parteien und Bewegungen stets gern als Galionsfigur gedient hatte."
Am Abend des 28. November fand eine gut besuchte Mahnwache gegen Rechts statt, veranstaltet vom JuZ Weißenburg und vom Landkreisbündnis gegen Rechts. Es wurden 250 TeilnehmerInnen gezählt. Nachdem sich im Anschluss eine
Spontandemo durch die Weißenburger Altstadt formiert hatte, kam es zu einem Neonazi-Überfall auf das zeitweise unbeobachtete Jugendzentrum. 15 bis 20 vermummte Neonazis beschädigten ein Transparent mit der Aufschrift "Nie wieder Faschismus!" und warfen einige Böller auf das Gelände des JuZ.
Weißenburger Tagblatt ("Neonazis rüsten verbal auf", 24.11.11): hier klicken, Nürnberger Nachrichten ("Wieder braune Umtriebe in der Region", 25.11.11): hier klicken, Nürnberger Zeitung ("Neonazi-Umtriebe im Weißenburger Land", 26.11.11): hier klicken, Abendzeitung Nürnberg ("Weißenburg: Neonazis greifen Mahnwache an", 29.11.11): hier klicken, Nürnberger Zeitung ("Weißenburg: Vermummte griffen Mahnwache an", 30.11.11): hier klicken, Nürnberger Nachrichten ("Weißenburg: Feuerwerkskörper flogen auf die Nazi-Gegner", 30.11.11): hier klicken, Weißenburger Tagblatt ("Vermummte überfallen Juz", 30.11.11): hier klicken, Endstation Rechts Bayern ("Mittelfranken: Angriffe auf Nazi-Gegner nehmen zu", 30.11.11): hier klicken, Weißenburger Tagblatt ("Polizei ermittelt wegen Landfriedensbruchs", 1.12.11): hier klicken
Nürnberg: Linke Gruppe erhielt Bekenner-DVD der faschistischen Mörder per Post (November 2011)
Die Gruppe "Kommunistische Arbeiterzeitung" erhielt am 12. November 2011 per Post eine der mittlerweile überregional bekannten Bekenner-DVDs aus den Kreisen des neonazistischen "Nationalsozialistischen Untergrundes" (NSU). Damit sind bereits zwei Bekenner-DVDs in Nürnberg gelandet: Ein anderes Exemplar erhielten die Nürnberger Nachrichten.
Die Gruppe KAZ verweist in ihrer Presseerklärung vom 23. November auf zwei ungekläre Anschläge in den letzten Jahren auf das "Rote Zentrum" in Nürnberg (es wurden jeweils die Scheiben eingeschlagen) und betont die Gewalttätigkeit der hiesigen Neonaziszene.
BR online ("Neue Recherchen zum braunen Netzwerk", 29.11.11): hier klicken
Nürnberg, 24.11.11: 200 bei erster Gedenk-Kundgebung für die Opfer der Neonazi-Morde (November 2011)
Zu einer ersten Gedenkkundgebung für die Opfer der Neonazi-Morde (nicht nur) in Nürnberg, einberufen von der VVN-BdA und den Jusos und unterstützt von weiteren Gruppierungen, kamen ungefähr 200 Menschen auf den Hallplatz.
Nürnberger Nachrichten ("Wut und Trauer bei Demo am Nürnberger Hallplatz", 25.11.11): hier klicken
Obertrubach/Geschwand: Mindestens zwei Nazi-Events auf der "braunen Wiese" im Jahr 2011 (November 2011)
Die aktuelle Debatte über die Neonazi-Morde in den Jahren 2000 - 2006 hat den Vorteil, dass Informationen zu erhalten sind, die sonst aufwendig vertuscht werden. So war in einem Artikel des Fränkischen Tags (24.11.11) über die Neonaziszene im Raum Forchhein zu erfahren, dass nicht nur am 21. Mai 2011 ein Neonazi-Konzert mit "rund 140" BesucherInnen auf der "braunen Wiese" bei Geschwand stattgefunden hat (wie bereits teilweise bekannt), sondern auch am 25. Juni 2011 eine Sonnwendfeier mit etwa 60 Neonazis.
Nürnberg: "Die Bevölkerung nicht beunruhigen". Einseitige Öffentlichkeitsarbeit der Polizei in Sachen Mordserie an Migranten 2000 - 2006 (November 2011)
Man kennt die penetrante Leier aus den letzten Jahren: Anstieg der linken Gewalt, abnehmende Gewalttaten aus der rechten Szene, "gegenseitiges Hochschaukeln von linker und rechter Gewalt": Schlagworte einer Debatte, die vor allem von konservativer politischer Seite sowie von Polizeibehörden und Geheimdiensten offensiv geführt wurde. Zu diesem Befund passen neueste Meldungen, dass die für die Ermittlungen in Sachen Mordserie an Migranten 2000 bis 2006 Verantwortlichen rassistische Motive zwar nicht ausschlossen und in der neonazistischen Szene ermittelten, damit jedoch nicht an die Öffentlichkeit gingen.
Man habe die Bevölkerung "nicht beunruhigen" wollen, schreiben die Nürnberger Nachrichten am 24. November 2011. Stattdessen drangen damals rassistische Klischeevorstellungen an die Öffentlichkeit: Die Opfer hätten Verbindungen zu mafiösen Strukturen usw. Diese Art der polizeilichen Öffentlichkeitsarbeit erinnert an die Tage nach dem Beinahe-Totschlag am Nürnberger Plärrer Ende April 2010. Erst nach mehrtägiger Verzögerung wurde bekannt gegeben, dass der Täter ein Neonazi gewesen ist.
Fürth, 19.11.2011: Fürther Wirte verwehrten Rechtspopulisten Eintritt (November 2011)
Der Bayerische Ableger der rechtspopulistischen Partei "Die Freiheit" wollte an diesem Samstag seinen "außerordentlichen Parteitag" in einem renommierten Gasthaus in der Fürther Innenstadt abhalten. Die WirtInnen wiesen ihnen die Türe, wie wohl in der Folge auch andere WirtInnen in Fürth. Ein Kompliment an die Nazi-GegnerInnen und WirtInnen in Fürth!.
Wie die Fürther Nachrichten am 25. November 2011 berichtete, fand die Veranstaltung der "Freiheit" dann wohl in Nürnberg statt.
Fürther Nachrichten ("Hausverbot für die Islam-Gegner", 26.11.11): hier klicken
München: Schon wieder gerichtlicher (Teil-) Erfolg für das a.i.d.a.-Archiv München (November 2011)
Eine unendliche Geschichte: Die Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e.V. (a.i.d.a.) wird im bayerischen Verfassungsschutzbericht genannt, klagt dagegen und erzielt zumindest Teilerfolge vor Gericht. So wieder jüngst in Bezug auf den VS-Bericht 2010: Das Verwaltungsgericht München urteilte in einem Eilverfahren laut Süddeutscher Zeitung vom 16. November 2011, dass der Verfassungsschutz nicht mehr behaupten dürfe, "dass die Aktivitäten der Antifaschisten Informations-, Dokumentations- und Archivstelle "maßgeblich geprägt" würden durch Personen, "die dem linksextremistischen Spektrum zuzuordnen" seien." Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. In einer weiteren Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof solle geklärt werden, ob a.i.d.a. generell im Verfassungsschutzbericht genannt werden dürfe.
Bereits in den bayerischen Verfassungsschutzberichten 2008 und 2009 mussten a.i.d.a. betreffende Stellen nach entsprechenden Gerichtsurteilen geschwärzt werden.
Passend zur aktuellen Gerichtsentscheidung wurde a.i.d.a., zusammen mit dem Gräfenberger Bürgerforum, mit dem Josef-Felder-Preis des bayerischen SPD-Landesverbands geehrt. "Felder, der am 28. Oktober 2000 hundertjährig in München verstarb, war eines der 94 SPD-Mitglieder des Berliner Reichstages, die 1933 gegen das Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten stimmten. Er floh 1933 nach Österreich, später in die Tschechoslowakei und kehrte 1934 nach Deutschland zurück, wo er von der Gestapo verhaftet und bis 1936 im KZ Dachau inhaftiert wurde. Nach 1945 war er als SPD- Bundestagsabgeordneter und Journalist tätig. Als Zeitzeuge nahm er bundesweit an zahlreichen Veranstaltungen teil, wobei es ihm besonders darum ging, das demokratische Bewusstsein der jungen Generation zu stärken."
Süddeutsche Zeitung ("Gericht rüffelt Verfassungsschützer", 16.11.11): hier klicken, a.i.d.a.-Archiv München ("a.i.d.a. wird mit dem Josef-Felder-Preis geehrt", 16.11.11): hier klicken, BR online ("Der Fall a.i.d.a.", 6.12.11): hier klicken
Nürnberg: Anzeige gegen NPD-Funktionär wegen mutmaßlicher Volksverhetzung (November 2011)
Rainer Biller, Nürnberger NPD-Funktionär, wurde laut Endstation Rechts Bayern durch die SPD-Landtagsabgeordnete Helga Schmitt-Bussinger angezeigt. Grund: Auf seinem Facebook-Eintrag war u.a. zeitweise der Nürnberger Döner-Stand abgebildet, dessen Inhaber 2005 ermordet worden war. Darüber der Satz: "Tod dem Döner es lebe die Nürnberger Bratwurst". Nach einigen Tagen distanzierte sich die NPD und warf Biller aus der Partei.
fightfascism.wordpress.com ("NPD-Funktionär solidarisiert sich mit „Thüringer Heimatschutz“", 15.11.11): hier klicken, Endstation Rechts Bayern ("Facebook-Eintrag des NPD-Funktionärs Rainer Biller: Widerliche Volksverhetzung", 17.11.11): hier klicken, Abendzeitung Nürnberg ("Nürnberger NPD-Mann verhöhnt Opfer", 17.11.11): hier klicken, Nürnberger Nachrichten online ("Nürnberger NPD-Mann glorifiziert Nazi-Morde", 18.11.11): hier klicken, Nürnberger Nachrichten online ("NPD lässt Skandal-Funktionär Rainer Biller fallen", 19.11.11): hier klicken
Wunsiedel: Aufmarsch von 250 Neonazis. Gegenkundgebung von etwa 300 Nazi-GegnerInnen (November 2011)
Dass die Neonazi-Aufmärsche in Wunsiedel ein Auslaufmodell seien, wie jüngst gesagt, kann nach diesem Wochenende jedenfalls nicht mehr behauptet werden. Erneut fanden sich mehrere 100 Nazis in Wunsiedel ein, diesmal zum so genannten "Volkstrauertag", von der Polizei weiträumig abgeschirmt von GegendemonstrantInnen. An einer Gegenkundgebung nahmen - zeitversetzt zum Naziaufmarsch - etwa 300 Menschen teil. Eine spontane Gegendemo von etwa 50 Menschen scheint gleichfalls stattgefunden zu haben. Insgesamt mussten sich die Nazis wohl nicht sonderlich gestört fühlen...
Frankenpost ("Wunsiedel wehrt sich gegen Rechts", 13.11.11): hier klicken, Mainpost ("Rechtsextreme demonstrieren in Wunsiedel", 13.11.11): hier klicken, Zeit online / Störungsmelder ("Rudolf-Heß-Ersatz-Veranstaltung unter den Augen der Polizei, 15.11.11): hier klicken
Nürnberg: Die Morde an Migranten in Nürnberg in den Jahren 2000, 2001 und 2005 waren neonazistische Taten und Teil einer rechtsterroristischen Gewaltstrategie. Die bisherige Verharmlosung der neonazistischen und rassistischen Gefahr muss ein Ende haben (November 2011)
Jüngste polizeiliche Ermittlungen zeigen Zusammenhänge zwischen diversen Verbrechensserien der letzten Jahre auf: Herstellung von Rohrbomben Ende der 1990er Jahre, mehr als ein Dutzend Banküberfälle seit 1999, die so genannten "Döner-Morde" (was für ein Wort! - sagt viel über die damalige Debatte aus) 2000 bis 2006 mit insgesamt neun Ermordeten (davon drei in Nürnberg und zwei in München, d.h. über die Hälfte in Bayern), ein Polizistenmord 2007 sowie möglicherweise weitere schwere Verbrechen wie der Nagelbombenanschlag am 9. Juni 2004 auf ein vorwiegend von Menschen türkischer Herkunft bewohntes Haus in Köln (22 zum Teil schwer Verletzte). Die drei zunächst bekannten mutmaßlichen TäterInnen entstammen der neonazistischen Szene (u.a. "Thüringer Heimatschutz") und agierten jahrelang in der Illegalität. Verbindungsleute des Verfassungsschutzes agierten auf undurchsichtige Weise in dieser Szene. Ein vierter mutmaßlich Beteiligter wurde jüngst festgenommen und scheint den staatlichen Behörden ebenfalls schon länger bekannt gewesen zu sein. Die Aachener Zeitung berichtete am 13. November in ihrer Online-Ausgabe, dass dieser im Jahr 2003 auch in Bayern an Neonazi-Demos teilgenommen habe. Insgesamt ist zu vermuten, dass die Taten Teil einer gezielten Mordkampagne gegen Menschen migrantischer Herkunft waren, mit dem Ziel, Angst und Schrecken zu verbreiten und Menschen gezielt zu vertreiben.
Links: Heutige Ansicht eines Teils der Scharrerstraße in Nürnberg. Ismail Y. wurde an diesem Ort im Juni 2005 hingerichtet. Rechts: Heutige Ansicht der Ecke Siemensstr. / Gyulaerstr. Hier wurde Abdurrahim Ö. im Juni 2001 ermordet. Die jeweiligen Viertel sind teilweise migrantisch geprägt (Fotos: Nürnberger Bündnis Nazistopp).
Heutige Ansicht eines Teils der Liegnitzer Str. / Ecke Schreiberhauerstraße in Nürnberg. Hier wurde im September 2000 der Blumenverkäufer Enver S. ermordet (Foto: Nürnberger Bündnis Nazistopp).
Spiegel online (11.11.11) skizziert die in Nürnberg begangenen Taten:
"Als Erstes traf es den Blumenhändler Enver S., 38, aus dem hessischen Schlüchtern. Er stand mit seinem Verkaufswagen am Vormittag des 9. September 2000 an einer Ausfallstraße in Nürnberg-Langwasser. S. vertrat einen Kollegen, der an diesem Tag Urlaub genommen hatte. Am Nachmittag fand man S. im Transporter, von Kugeln durchsiebt.
Neun Monate später starb Abdurrahim Ö. Der (...) 49-Jährige, der in Nürnberg-Steinbühl wohnte, war Schneider, seit vielen Jahren in Deutschland. Tagsüber stand er bei Siemens am Band, abends besserte er für ein paar Euro Kleider aus. Am Nachmittag des 13. Juni 2001 hörten Nachbarn einen Streit (…). Wenig später lag dieser tot auf dem fleckigen PVC-Boden hinter dem Schaufenster, mit zwei Kugeln im Kopf. (...)
Am 9. Juni 2005 kehrten der oder die Täter nach Nürnberg zurück. Mit gezielten Schüssen tötete er Ismail Y., 50, in dessen Dönerstand an der Scharrerstraße, kurz bevor Kinder aus der benachbarten Schule in der Pause bei "Onkel Y." Snacks kaufen konnten. Bauarbeiter sahen zwei Männer: Sie stellten ihre Fahrräder direkt vor Y.s Stand ab, gingen hinein, kamen rasch zurück und steckten eilig einen Gegenstand in den Rucksack. (...)"
Die Belege für die Existenz einer rechtsterroristischen Szene sind nicht erst seit den jüngsten Ermittlungsergebnissen offensichtlich. Nicht nur die von der Bombe zerfetzten Opfer des Münchner Oktoberfest-Attentates 1980 mahnen. Man kann es nicht mehr hören: Seit vielen Jahren morden Neonazis und RassistInnen, ein politisches Motiv wird vielen dieser Täter von staatlicher Seite her abgesprochen, der Ball wird möglichst flach gehalten. Dass Deutschland nicht nur ein "Land der Dichter und Denker" ist, sondern auch ein Land, in dem rechte Mörder und Gewalttäter seit Jahrzehnten ihr Unwesen treiben, passt nicht ins offiziell gepflegte Bild dieser Gesellschaft. Dabei sind nicht einmal die "Altlasten" des Kalten Krieges aufgearbeitet: Es steht zu vermuten, dass es im Zuge der antikommunistischen Hysterie dieser Zeit eine Zusammenarbeit zwischen staatlichen Strukturen und Neonazis gegeben hat (Gladio-Strukturen), mit entsprechenden Folgen für Militanz und Selbstbewusstsein der Nazi-Szene.
Das ganze Gerede von der "linken Gefahr", die unsägliche "Extremismusdebatte" à la Kristina Schröder und die gefährliche Gleichsetzung von "Rechts" und "Links" müssen ein Ende haben. Die Verfassungsschutzbehörden haben sich spätestens jetzt diskreditiert: Vertuschen und Schönreden scheint seit Jahren die Devise zu sein. Die Verharmlosung der neonazistischen und rassistischen Gefahr durch Teile der politischen Klasse ist ebenfalls schon lange zum Teil des Problems geworden, zum Teil auch zur Legitimation für die rechte Szene (z.B. die "Asyldebatte" in den frühen 1990er Jahren und die nachfolgenden Pogrome gegen Flüchtlinge). Bundesinnenminister Friedrich (CSU) konnte übrigens noch im Juli 2011, nach den faschistischen Morden von Norwegen, keine Terrorgefahr von Rechts in Deutschland sehen.
Dass über die Hälfte der Morde an Kleinunternehmern migrantischer Herkunft zwischen 2000 und 2006 in Bayern geschehen ist, zieht zusätzlichen Erklärungsbedarf nach sich. Gibt es hier eine besonders militante und terroraffine Neonaziszene oder sind hier die Behörden besonders blind auf dem rechten Auge, oder beides zugleich? Exemplarische ausweichende Stellungnahmen des bayerischen Innenministers Herrmann (CSU) wurden am Sonntag bundesweit im Fernsehen ausgestrahlt (13. November 2011, Talk-Show mit Günther Jauch).
Ein anderer Punkt: Drei Morde allein in Nürnberg: Das macht nachdenklich. Wie erklärt sich die Häufung der Taten in dieser Stadt? Gibt es hier eine organisierte rechte Terror-Basis?
(11.11.11, ergänzt 13.11.11)
Spiegel online ("Ermittler finden Tatwaffe der Döner-Morde", 11.11.11): hier klicken, Endstation Rechts Bayern ("„Döner-Morde“: Taten einer rechten terroristischen Gruppe?", 11.11.11): hier klicken, Blick nach Rechts ("Rechtsterroristische Räuberpistole", 11.11.11): hier klicken, Endstation Rechts Bayern ("Die unterschätzte Gefahr: Gewalt von rechts", 12.11.11): hier klicken, Spiegel online ("Neonazi-Terroristen hinterließen Geständnis auf DVD", 12.11.11): hier klicken, Publikative.org ("Und hier terrorisiert der “Nationale Widerstand”", 12.11.11): hier klicken, Spiegel online ("Polizei nimmt vierten Verdächtigen fest", 13.11.11): hier klicken, Spiegel online Video ("Die braune Zelle", 13.11.11): hier klicken, Nürnberger Nachrichten ("Report: Angst und Verunsicherung in «Gostambul»", 15.11.11): hier klicken, Spiegel online ("Sie nannten ihn den "kleinen Adolf"", 15.11.11): hier klicken, Publikative.org ("“Denn neun sind nicht genug …”", 16.11.11): hier klicken, Bayerischer Rundfunk / Magazin Quer ("Leichtes Spiel für Neonazis", 16.11.11): hier klicken, Nürnberger Nachrichten ("Massaker in Nürnberger Disko, Mord in Erlangen", 16.11.11): hier klicken, Fürther Nachrichten ("Neonazi-Terror stößt auf Gegenwehr", 16.11.11): hier klicken, BR online, TV-Sendung Kontrovers ("Bayerische Neonazis vernetzen sich neu u.a.", 16.11.11): hier klicken, Publikative.org ("Vernichtung als politisches Programm", 17.11.11): hier klicken, Nürnberger Zeitung ("Hatte die Nazi-Bande Unterstützer in Nürnberg?", 19.11.11): hier klicken, Süddeutsche Zeitung ("Tatorte mit brauner Vergangenheit", 29.11.11): hier klicken
Nürnberg: Ausstellung "Opfer rechter Gewalt seit 1990 in Deutschland" ab 1. Dezember 2011 (November 2011)
Das Nürnberger Bündnis Nazistopp bringt zusammen mit dem Caritas-Pirckheimer-Haus Nürnberg (in Kooperation mit der "Allianz gegen Rechtsextremismus" Nürnberg) die Wanderausstellung "Opfer rechter Gewalt seit 1990 in Deutschland" nach Nürnberg.
Die Vernissage zur Ausstellung mit Grußworten der VeranstalterInnen, einer einführenden Rede von Julia Stegmann (Verein "Opferperspektive") sowie musikalischen Beiträgen vom Marienstraßenorchester Nürnberg findet am Donnerstag, den 1. Dezember 2011 ab 19 Uhr im CPH Nürnberg, Königstraße 64, statt.
Zeitraum der Ausstellung: 1. - 20. Dezember 2011. Die Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 8 - 20 Uhr, Samstag und Sonntag 8 - 16 Uhr.
Zur Ausstellung selbst: Die Ausstellung „Opfer rechter Gewalt seit 1990 in Deutschland" portraitiert 156 Menschen, die seit der Vereinigung Deutschlands bis Ende 2010 durch „rechts motivierte" Gewalttaten zu Tode kamen. Die Angaben basieren auf Medienberichten und sind daher lückenhaft; wurde kein Bild eines Opfers veröffentlicht, ist sein Portrait durch eine leere Rasterfläche ersetzt. Weitere Informationen: hier klicken, Ausstellungsflyer zum Download: hier klicken!
Offiziell, d.h. seitens der Polizeibehörden und Bundesregierung, werden 47 Opfer rechter Gewalt geführt (in jüngster Zeit sollen es, ausgelöst durch das Bekanntwerden der rechten Terrorserie, ein paar mehr geworden sein). Die Differenz zwischen der offiziellen Zahl und den durch verschiedene Initiativen und JournalistInnen ermittelten Zahlen - dies gilt für alle Bundesregierungen seit der "Wende" - ist bestürzend und ist die Grundlage unserer öffentlichen Aktionen zu diesem Thema (zwei Plakataktionen und jetzt die Ausstellung). Leider hat sich aus aktuellen Anlass die Anzahl der Todesopfer vergrößert, weil mindestens zehn neue Fälle der neonazistischen Gewalt zugeordnet werden können (u.a. die gegenwärtig breit diskutierte Mordserie an Migranten 2000 bis 2006). Das Portal "Mut gegen rechte Gewalt" zählt gegenwärtig 182 Todesopfer durch rechte Gewalt seit der Wiedervereinigung: hier klicken!
Wir würden uns sehr über eine Spende freuen, und seien es nur kleine Beträge. Spendenkonto: hier klicken!
Einlassvorbehalt: Die Veranstalter behalten sich gem. § 6 VersG / Art. 10 BayVersG vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die neonazistischen Organisationen angehören oder der extremen rechten Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch antisemitische, rassistische oder nationalistische Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren.
Nürnberg: Harsche Kritik an Auftritt des Extremismustheoretikers Jesse im Dezember (November 2011)
Am 2. Dezember 2011 veranstaltet die Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg eine Fachtagung mit dem Titel "Rechtsextremismus - Gefahr für den demokratischen Verfassungsstaat?". Einer der Hauptreferenten zum Tagungsthema ist Prof. Dr. Eckhard Jesse von der TU Chemnitz. Verschiedene antifaschistische und Hochschulgruppen (u.a. das Bürgerforum Gräfenberg, das Antifaschistische Aktionsbündnis Nürnberg, die Grüne Hochschulgruppe Erlangen-Nürnberg sowie Luks, Linke und Kritische StudentInnen) fordern die Ausladung des Referenten, verweisen u.a. auf seine Nähe zur "Neuen Rechten" und problematisieren seine Rolle als "einer der führenden Vertreter der so genannten 'Extremismustheorie'". Weiter in der Presseerklärung: "Diese wird von AntifaschistInnen als Gleichsetzung von Rechts und Links und damit als eine Verharmlosung von extrem rechten Gedankengut abgelehnt. Gerade die schockierende Mordserie der thüringer Neonazigruppe zeigen die besondere Gefährlichkeit, die von Neonazis bzw. einer Verharmlosung des Problems ausgeht."
Öffentlicher Protest im Falle eines Auftritts von Jesse auf der Tagung wird angekündigt.
Neumarkt: Neonazi-Auftritt bei Gedenkfeier am "Volkstrauertag" (November 2011)
Die Neumarkter Nachrichten (15.11.11) berichten von einem mutmaßlichen Neonazi-Auftritt am so genannten "Volkstrauertag". Ein Polizeisprecher wird sinngemäß zitiert: "Nur weil Glatzköpfe dabei waren, könne nicht automatisch auf Neonazis geschlossen werden." Dagegen die SPD-Kreisvorsitzende Carolin Braun laut Neumarkter Nachrichten (19.11.11): "Die Leute mit der schwarzen Fahne mit dem Schriftzug Neumarkt waren Nazis."
Neumarkter Nachrichten ("Neonazis am Kriegerdenkmal?", 15.11.11): hier klicken, Neumarkter Nachrichten ("Schwarze Stiefel marschieren auch im Landkreis", 19.11.11): hier klicken
Nürnberg: BIA-Stadtrat Schmaus erneut freigesprochen (November 2011)
Im Februar 2011 endete eine Gerichtsverhandlung gegen den Neonazi und BIA-Stadtrat Sebastian Schmaus mit einem Freispruch. Vorgeworfen wurde ihm damals die Verteilung von Flyern mit strafbarem Inhalt ("Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole"). Das Gericht sah die inkriminierten Formulierungen jedoch durch die Meinungsfreiheit gedeckt und sprach Schmaus frei.
Laut Nürnberger Nachrichten vom 11. Februar 2011 wurden die inkriminierten Flyer des neonazistischen "Freien Netz Süd" im Oktober 2009 vor dem Nürnberger Scharrer-Gymnasium verteilt. Ein interessantes Detail erwähnte die Süddeutsche Zeitung vom gleichen Tag (11.2.11). In Nürnberg habe das Amtsgericht zunächst die Eröffnung eines Verfahrens gegen Schmaus abgelehnt, wurde aber dann vom Landgericht korrigiert. Die SZ weiter: "Also musste am Donnerstag die Amtsrichterin, die eine Verhandlung zunächst abgelehnt hatte, doch verhandeln." Die Staatsanwaltschaft habe nach dem Freispruch Rechtsmittel eingelegt.
Nach einer Sprungrevision vor dem Oberlandesgericht musste am 10. November 2011 erneut vor dem Amtsgericht Nürnberg verhandelt werden. Das Resultat: Erneuter Freispruch für Schmaus (Quellen: Nürnberger Nachrichten 8.11.11, 11.11.11).
Karlsruhe/Nürnberg: Bundesgerichtshof überprüft im Dezember das Urteil gegen den Nürnberger U-Bahn-Schläger Peter R. (November 2011)
28. April 2010: Neonazi Peter R. schlug im U-Bahn-Bereich des Nürnberger Plärrer einen jungen Antifaschisten fast tot. Am 1. März 2011 fiel das Urteil: 5 1/2 Jahre Gefängnis wegen gefährlicher Körperverletzung. Der Vorwurf des versuchten Totschlags habe sich laut Gericht nicht in vollem Umfang nachweisen lassen (wir berichteten mehrfach).
Vor dem Bundesgerichtshof Karlsruhe wird nun laut Nürnberger Zeitung am 21. Dezember auf Antrag verschiedener Prozessparteien das Urteil vom 1. März überprüft. Möglicherweise muss im Anschluss in Nürnberg neu verhandelt werden - vielleicht bleibt der Urteilsspruch aber auch erhalten. Opferanwalt Schmitt-Reinholtz zum Beispiel sei "nach wie vor der Ansicht, dass einem wichtigen Umstand nicht Rechnung getragen wurde: Der Angeklagte war Kampfsportler und habe daher gewusst, dass seine speziellen Tritte und Schläge zum Tod hätten führen können."
Nürnberger Zeitung ("Bundesgerichtshof prüft Urteil gegen Neonazi", 1.11.11): hier klicken, nordbayern.de ("Kippt BGH den Nürnberger Richterspruch?", 3.11.11): hier klicken
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