Coburg: Gerichtliches Nachspiel einer erfolgreichen Anti-Nazi-Aktion im Oktober 2012. Sohn eines ehemals im KZ Buchenwald Inhaftierten wurde wegen Widerstands gegen Polizeibeamte zu 100 Tagessätzen verurteilt. Berufung angekündigt (Oktober 2013)
Am 20. Oktober 2012 war es in Coburg rund gegangen. Der Widerstand von etwa 1000 Menschen gegen den Aufmarsch der "Jungen Nationaldemokraten" war massiver als zunächst erwartet. Mehrere Sitzblockaden verzögerten die Nazi-Aktion. An den Sitzblockaden nahmen auch Studierende und zwei regionale PolitikerInnen der Grünen teil. Die rechten Transparente trugen Parolen wie "Wir wollen keine Asylantenheime!!!".
An diesem Tag schlugen laut verschiedenen Berichten Mitglieder der berüchtigten Polizeieinheit USK auf einen bereits verletzten und ärztlich behandelten Rentner erneut ein, so dass dieser wie eine jüngere Gegendemonstrantin im Krankenhaus behandelt werden musste. Der von der Polizei Traktierte, Sohn eines ehemals im KZ Buchenwald Inhaftierten und Misshandelten, erstattete Anzeige gegen die Polizisten, die ihn verprügelt hatten. Entsprechende Ermittlungen wurden eingestellt, dafür bekam der Antifaschist einen Strafbefehl über 50 Tagessätze - zahlbar nur im Wiederholungsfall - wegen Widerstands.
Nach dem Widerspruch gegen den Strafbefehl folgte eine Verhandlung. Dort wurde Ende Oktober 2013 die Strafe auf 100 Tagessätze erhöht. Laut Prozessbeobachtern wird der Verurteilte in Berufung gehen, da es das Gericht für ausreichend erachtet hat, nur die zwei beteiligten Polizisten als Zeugen zu vernehmen. Den Aussagen des Notarztes und der beteiligten Rettungssanitäter - weitere Zeugen des Betroffen seien vom Gericht nicht zugelassen worden - wurde kein Glauben geschenkt. Auch der Antrag des Verteidigers, das vorhandene Videomaterial als Beweis anzuschauen, wurde abgelehnt.
Der verurteilte Antifaschist Klaus Dimler äußerte sich in einer Erklärung wie folgt über die Ereignisse im Oktober 2012: "Ich bin der Sohn des bekannten mitteldeutschen Widerstandskämpfer Kurt Dimler (1934-45 Zuchthaus/KZ Buchenwald). Das Leiden u. der Kampf meines Vaters u. seiner hunderttausendfachen Leidensgefährten lebt in mir weiter. Demzufolge bemühe ich mich seit meiner Jugend den Schwur von Buchenwald lebendig zu halten. Am 20.10.12 war ich daher auch Mitinitiator unseres Coburger Bündnis gegen den zugelassenen Aufmarsches der Nazis anläßlich des Jahrestages des 1. Auftritts Hitlers in Coburg. Bei unserer Kundgebung u. bunten Fest, mit ca. 1500 Teilnehmern, sprach ich auch zu den Menschen über das wahre Gesicht u. die grausamen Tatsachen der alten und neuen Geschichte der Nazis. (...) Als die Nazis zum stehen gebracht wurden, lösten die verantwortlichen Beamten nicht etwa die Nazis auf, sondern machten denen rücksichtslos eine Gasse frei. Von da an begannen die Prügelattacken des USK auf mich, mit Ohnmacht nach Schlag aufs Herz u.s.w. Lebensgefährlich
verletzt, alarmierten Teilnehmer den med. Rettungsdienst u. brachten mich aus den Getümmel. Als mich Rettungssanitäter u. Notarzt zum Rettungswagen brachten, fielen erneut ca. 6 USKler über mich u. Notarzt her u. zerrten den
gewaltsam von mir weg. Nur mit Mühe u. Eindringlichkeit konnte ich im Rettungswagen notversorgt werden und selbst in den drang ein Beamter nochmals ein. (...) Recht schnell wurde unsere Anklage von der Staatsanwaltschaft
zerschlagen. Ich wurde vom Opfer zum Täter gemacht und in dem genannten skandalösen, erniedrigenden Prozeß verurteilt. Wir haben Berufung eingelegt."
(Quellen: Unsere eigene Berichterstattung vom Oktober 2012, radioeins.com vom 28.10.13, Mitteilung eines Prozessbeobachters, Mitteilung von Klaus Dimler vom 20.11.13)
Zirndorf / Nürnberg: Anklage gegen mehrere MitarbeiterInnen der "Zentralen Aufnahmeeinrichtung" wegen vorsätzlicher Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung im Dezember 2011. Eine Woche vor Weihnachten wäre damals ein Roma-Kind wegen haarsträubender Verweigerung von Hilfe fast gestorben (Oktober 2013)
Mehrere MitarbeiterInnen der "Zentralen Aufnahmeeinrichtung" für Flüchtlinge in Zirndorf sollen einer dort vorübergehend wohnhaften Roma-Familie, deren Kind lebensgefährlich erkrankt war, nicht geholfen haben und stehen deshalb möglicherweise bald vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth wirft zwei Pförtnern vorsätzliche Körperverletzung und einer Angestellten unterlassene Hilfeleistung vor. Die Pförtner riefen trotz verzweifelter Bitten der Eltern keinen Notarzt oder Rettungswagen, auch eine Angestellte half nicht weiter. Bereits am Vorabend, als erste Krankheitszeichen sichtbar wurden, habe ein herbeigerufener Arzt nur oberflächlich sondiert. Er habe nicht einmal Fieber gemessen und werde nun wegen fahrlässiger Körperverletzung angeklagt.
Ohne den spontanen Aufbruch der Eltern zu Fuß - es war eine Woche vor Weihnachten und bitterkalt - und die Hilfe eines an einer Zirndorfer Straßenkreuzung angehaltenen Autofahrers, der die Familie mitnahm, wäre das an einer schweren Meningokokken-Infektion erkrankte Kind vermutlich gestorben. Der mittlerweile dreieinhalb Jahre alte Junge hat zum Glück nach langwieriger medizinischer Behandlung überlebt, trägt jedoch Folgeschäden davon.
Süddeutsche Zeitung online ("Der Tag, als keiner half", 24.10.2013): hier klicken!, nordbayern.de ("Kind fast gestorben: Flüchtlingsheim-Mitarbeiterin angeklagt", 25.10.2013): hier klicken!, Nürnberger Nachrichten ("Asylbewerber erhielten zwei Stunden lang keine Hilfe", 30.10.2013): hier klicken!
Landkreis Lichtenfels / Coburg: Neonazi zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Er äußerte u.a. in einem Brief über Rechtsterroristin Beate Zschäpe: "Sie sind eine Heldin, eine Kameradin für mich" (Oktober 2013)
Laut verschiedenen Medienberichten stand dieser Tage in Coburg ein einschlägig vorbestrafter 21-jähriger Hardcore-Nazi aus dem Landkreis Lichtenfels (Oberfranken) vor Gericht und wurde schließlich zu dreieinhalb Jahren Jugendstrafe verurteilt. Ihm wurden u.a. rechte Schmierereien, Waffenbesitz und Volksverhetzung vorgeworfen. Auch vor Gericht habe er mit seiner Gesinnung nicht hinter dem Berg gehalten. In einem Brief an NSU-Terroristin Beate Zschäpe habe er geschrieben: "Sie sind eine Heldin, eine Kameradin für mich. Die sind putzig. Man kann uns nicht brechen" (obermain.de, 16.10.13). In einem anderen Schreiben habe er unter anderem geäußert: "(...) ich werde über Gräber gehen und dahinter liegt Germania" (obermain.de, 25.10.13).
Endstation Rechts Bayern (26.10.13) berichtete über die rechten Schmierereien: "Verwendet wurden allerlei Losungen, besonders die Kürzel „NS“ und „NS KC“ [KC = Autokennzeichen für Kronach]. Das „S“ war dabei jeweils in Form der sog. Sigrune geschrieben. Hinzu kamen Hakenkreuze, die Parolen „Ruhm und Ehre der Waffen SS“, „Freiheit statt BRD“, „Freiheit für Axel Reitz“, „Freiheit für Beathe [sic] Zschäpe“, Huldigungen auf „Blood and Honour“ und den NSU. Die Parole „Scheiß Jude“ erweiterte die Anklage um den Straftatbestand der Volksverhetzung. In einigen Fällen wurden zusätzlich noch Aufkleber der Kameradschaftsnetzwerke „Freies Netz Süd“ und „Division Franken“ sowie der Jungen Nationaldemokraten verklebt."
Radio Plassenburg online ("21-jähriger Redwitzer soll rechtes Gedankengut verbreitet haben", 10.10.2013): hier klicken!, obermain.de ("Auch hinter Gittern: versuchte Propaganda", 16.10.2013): hier klicken!, obermain.de ("Dreieinhalb Jahre Gefängnis", 25.10.2013): hier klicken!, Endstation Rechts Bayern ("Coburg: 3 Jahre 6 Monate Jugendstrafe für unbelehrbaren NSU-Fan", 26.10.2013): hier klicken!
Nürnberg: Deniz K. endgültig frei (Oktober 2013)
Der junge Antifaschist Deniz K. war im Juli 2013 nach einer Haftbeschwerde seiner Anwälte und einer vorausgegangenen Aufhebung des Nürnberger Urteils vom November 2012 durch den Bundesgerichtshof (BGH) freigelassen worden. Nun wurde das Verfahren gegen ihn neu aufgerollt, aber nur der die Strafhöhe betreffende Teil (wir berichteten mehrfach).
Das Landgericht Nürnberg-Fürth verringerte nun das Strafmaß laut Medienberichten auf zwei Jahre auf Bewährung. Deniz K. bleibt damit auf freiem Fuß. Vor seiner Freilassung im Juli 2013 saß er ungewöhnlich lange, nämlich über 14 Monate lang in Untersuchungshaft.
nordbayern.de ("Gericht verringert Strafmaß: Deniz K. frei", 25.10.2013): hier klicken!, Süddeutsche Zeitung online ("Gericht verringert Strafe für Anti-Nazi-Demonstrant", 25.10.2013): hier klicken!
Region um Nürnberg: Naziterror und rassistische Gewalt im Jahr 2012 - Nachträge (Oktober 2013)
Die Süddeutsche Zeitung (22.10.13) recherchierte dankenswerterweise einige Fälle aus der Statistik der vom bayerischen Innenministerium angegebenen rechten Gewalttaten nach. Wir ergänzen daher unsere laufende Berichterstattung um folgende Vorkommnisse in der Region. Über einen Fall aus Fürth (Juni 2012) und einen aus Stein (Juli 2012) berichteten wir bereits seinerzeit - sie werden deshalb nicht erneut angeführt. Es ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer die "offiziellen" Fallzahlen erheblich übersteigt. Und selbst die "offiziellen" Fälle landen nicht unbedingt zeitnah in der Presse.
* Ansbach, 1. Dezember 2012: "Nach einem Konzert provozieren zwei Rechte an einer Bushaltestelle einen Türken. Einer der Männer sagt zu seinem Begleiter, er sei stolz, ein Deutscher zu sein. Daraufhin sagt der Türke: 'Na und, ich bin Türke.' Jetzt zeigt der andere Rechte den Hitlergruß und schlägt seinem Opfer ins Gesicht."
* Fürth, 17. Juni 2012: "Vom Auto aus beleidigt ein Unbekannter einen 27-jährigen Fußgänger mit fremdenfeindlichen Sprüchen, steigt aus und ohrfeigt den Mann."
* Nürnberg, 25. November 2012: "Gegen 1.30 Uhr attackiert ein 19-Jähriger einen dunkelhäutigen Mann. Er hat einen Autoschlüssel zwischen die Finger geklemmt und steuert auf sein Opfer zu. Eine Streife kann im letzten Moment verhindern, dass er zuschlägt."
* Schillingsfürst, 23. Juli 2012: "Ein 22-Jähriger wird von einem Bekannten geschlagen. Die Männer liegen im Streit, das Opfer gibt später an, es habe die rechte Gesinnung des Angreifers nicht länger akzeptieren wollen."
* Seubersdorf (Oberpfalz), 2. und 3. Oktober 2012: "Rechtsradikale stören ein Konzert, die 'Rocknacht' im Ort Wissing. Es kommt zu mehreren Vorfällen: Ein Gast aus der linken Szene wird angerempelt. Nach Mitternacht schlägt ein 20.Jähriger seinem Opfer mit dem Bierkrug auf den Kopf. Der Verletzte muss ins Krankenhaus gebracht werden. Ein 16-Jähriger wird zu Boden geschleudert und von seinem Angreifer im Schwitzkasten gehalten."
(alle Zitate aus Süddeutsche Zeitung, 22. Oktober 2013)
Süddeutsche Zeitung ("Terror im Alltag", 22.10.2013): hier klicken!
Nürnberg: Strafhöhe gegen Deniz K. wird erneut geprüft (Oktober 2013)
Der junge Antifaschist Deniz K. war im Juli 2013 nach einer Haftbeschwerde seiner Anwälte und einer vorausgegangenen Aufhebung des Nürnberger Urteils durch den Bundesgerichtshof (BGH) freigelassen worden. Nun wird das Verfahren gegen ihn neu aufgerollt, aber nur der die Strafhöhe betreffende Teil.
Die Aufhebung des Nürnberger Urteils gegen Deniz K. durch den BGH kam nach über 14 Monaten Untersuchungshaft. Der BGH hatte im Juni 2013 bestimmt, dass die Strafhöhe im Fall Deniz neu zu bestimmen sei. Teile der Urteilsbegründung wurden gerügt. Das Urteil des Nürnberger Landgerichts vom November 2012 - zweieinhalb Jahren Jugendstrafe wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, Widerstands und Landfriedensbruchs bei einer antifaschistischen Demonstration im März 2012 - hatte regional und überregional nachhaltige Proteste hervorgerufen. Deniz K. soll mit einer Fahnenstange auf gepanzerte PolizistInnen eingestochen haben. Obwohl sich die Staatsanwaltschaft mit ihren ursprünglichen Vorwürfen - versuchter Totschlag an mehreren PolizistInnen - nicht durchgesetzt hatte, wurde das Urteil als überaus hart und einseitig kritisiert.
nordbayern.de ("Nürnberg: Der Fall Deniz K. beginnt erneut", 22.10.2013): hier klicken!
Kemmern bei Bamberg: Hakenkreuz auf Mainbrücke (Oktober 2013)
Auf die Fahrbahn der Mainbrücke in Kemmern im Landkreis Bamberg wurde ein großes Kakenkreuz geschmiert, wie radio-bamberg.de (20.10.13) meldete.
Scheinfeld (Mittelfranken): Skandalöse propagandistische Nachbereitung des Nazi-Debakels durch die Stadtspitze: "In der Disko gab es, bis auf die Lieder, keine politische Agitation, keine NPD-Symbole und erst recht keine Nazizeichen" (Oktober 2013)
Der Skandal wird immer größer: Anstatt einen Fehler zuzugeben, legen die "Überparteiliche Wählergemeinschaft" (ÜWG) und die Scheinfelder SPD-Stadtratsfraktion noch eins drauf. Das Verschweigen des nach Aussagen von ExpertInnen bundesweit größten Nazikonzerts des Jahres 2013 und die damit verbundene Verhinderung von Gegenprotesten werden unter anderem so begründet: "Außerdem hätte man bewusst die reale Gefahr in Kauf genommen, dass es bereits im Vorfeld zu einem Konflikt zwischen den Teilnehmern der Veranstaltung und der Scheinfelder Bevölkerung gekommen wäre. Aktionsgruppen wie 'Bündnis gegen Rechts', die 'Grüne Jugend Mittelfranken' und linksautonome Gruppen aus Nürnberg hätten die Konfrontation sicherlich noch verschärft." Die Nazis sollen also keine Konflikte mit der Bevölkerung / Nazi-GegnerInnen haben? Die Bevölkerung / Nazi-GegnerInnen keine Konflikte mit den Nazis? Haben wir das richtig verstanden? Ist Widerstand gegen Nazis nicht erwünscht?
Die zweite Stufe der Propagandarakete zündet der Scheinfelder Bürgermeister so: "In der Disko gab es, bis auf die Lieder, keine politische Agitation, keine NPD-Symbole und erst recht keine Nazizeichen. Es seien CDs und T-Shirts verkauft worden, die rechtsstaatlich 'geduldet' würden. 'Es gibt mithin keinen konkreten Anlass, die Teilnehmer pauschal als Nazis oder Gewalttäter zu verurteilen' (...)." In der Scheinfelder Disko waren also gar keine Nazis, sondern "Rechtsradikale, rechte Wirrköpfe, Mitläufer". Also alles gar nicht so schlimm? Haben wir auch das richtig verstanden? Nur zur Selbstvergewisserung: Wir befinden uns im Herbst des Jahres 2013, zwei Jahre nach Aufdeckung der NSU-Morde. Es gibt offensichtlich noch viel zu tun...
Die Zitate entstammen dem Artikel "Verwaltung handelte besonnen" der Fränkischen Landeszeitung vom 19. Oktober. Da kann man nur noch den Kopf schütteln. Unserer Einschätzung vom 13. Oktober ist leider nichts hinzuzufügen.
(19.10.13)
PS: Wer sich über Bands und Veranstalter des Nazi-Spektakels informieren will, kann dies unter anderem auf der Homepage des antifaschistischen Recherche-Tams Nordbayern tun: hier klicken!
Scheinfeld (Mittelfranken), 12. Oktober: Tausend Nazis trafen sich zu Rechtsrock-Konzert "Live H8" - behördliche Unterstützung durch skandalöses konzertiertes Verschweigen im Vorfeld inklusive (Oktober 2013)
Im zwischen Neustadt/Aisch und Iphofen in Mittelfranken gelegenen Scheinfeld trafen sich am Samstag, den 12. Oktober etwa 1000 Nazis "aus ganz Deutschland und den Nachbarländern" (focus.de, 13.10.13). Das Nazi-Event fand in einer oder um eine Diskothek in Scheinfeld statt. Um welche Diskothek es sich handelte, ist noch unklar. Jedenfalls gibt es wieder einen neuen Nazi-Veranstaltungsort in der Region, nach Gremsdorf, Geschwand usw.
Laut Information des aida-Archivs München (Stand 13.10.13) war das Nazi-Festival bereits seit längerem geplant, nur der genaue Ort war zumindest für die Öffentlichkeit unklar. Der Titel der u.a. von Neonazi Patrick Schröder promoteten Veranstaltung war "Live H8", was als "live Hass" oder "live Heil Hitler!" gelesen werden kann. Auftreten sollten u. a. die neonazistischen Bands "Act of Violence", "White Resistance", "Überzeugungstäter", "Division Germania" und "Faust Rache". Über einen Schleusungspunkt am Autohof an der A3, Ausfahrt 76 Geiselwind, seien die rechten BesucherInnen zum Veranstaltungsort in Scheinfeld geführt worden.
Laut ersten Presseberichten gab es eine Schlägerei unter den Besuchern; ein "T-Shirt mit Hakenkreuz" und ein Hitlerbild seien sichergestellt worden. Doch das eigentliche Problem liegt woanders, nämlich beim schieren Zustandekommen dieser überregionalen Nazi-Veranstaltung. Offensichtlich wurde von allen Behörden im Vorfeld kräftig gemauert, damit keine Information an die Öffentlichkeit dringen und eventuelle Gegenproteste verhindert werden konnten. Das war Nazi-Förderung erster Klasse!
Wieder einmal wurde deutlich, dass Mittelfranken (wie Oberfranken) eine Nazihochburg mit bundesweiter und europaweiter Ausstrahlung ist. Die nachsichtige Taktik und Strategie der Behörden spielt dabei nicht selten eine förderliche Rolle. Zwar hätten nach nordbayern.de (13.10.13, aktualisiert 14.10.13) das Landratsamt Neustadt/Aisch und die Polizei im Vorfeld versucht, die Veranstaltung zu verbieten. Man habe aber keine Gründe dafür gefunden - und hat es vermutlich, so die Annahme, auch gar nicht ernsthaft versucht. Vor allem aber: Man hat die Sache ausgesessen und geschwiegen.
(13.10.13)
Nachträge 14. Oktober:
* BR online schrieb am 14. Oktober (Fettdruck durch uns): "Nach Angaben des Landratsamtes Neustadt an der Aisch - Bad Windsheim hatte es am Freitag eine Besprechung mit Vertretern von Polizei, Stadt und Landratsamt gegeben. Dort sei gemeinsam entschieden worden, die Hintergründe des Konzerts nicht an die Öffentlichkeit zu geben, um eine weitere Eskalation zu verhindern." Kommentar überflüssig... Die Polizei wusste laut eigener Presseerklärung spätestens am Donnerstag (10. Oktober) Bescheid.
* Der Name der Diskothek ist "Nachtwelt". Deren Pächter, ein 28-jähriger Scheinfelder, habe sich laut Fränkischer Landeszeitung (14.10.13) "im Rathaus als persönlicher Freund des NPD-Geschäftsführers und eines NPD-Kreisvorsitzenden vorgestellt." Bei besagtem NPD-Geschäftsführer handelt es sich wohl um NPD-Landesgeschäftsführer Axel Michaelis, der das Konzert laut FLZ mitorganisiert habe.
Nachtrag 15. Oktober:
Auszug aus einer aktuellen Presseerklärung des Bündnis gegen Rechts im Landkreis Neustadt / Aisch - Bad Windsheim: "Die Gegenkundgebung in Scheinfeld, bei der etwa 1.500 Bürgerinnen und Bürger ihren Unmut über das Auftreten der Neonazis äußerten, setzte ein klares Zeichen für die demokratische Einstellung der Stadt. Diese wurde jedoch nie bezweifelt. Wirkungsvoller wäre es gewesen, dies
gleich am Wochenende - vor Ort, im direkten Widerspruch zum Neonazi-Konzert - zu tun. Gräfenberg ist der Beweis: Ungestörte Aktionen betrachten die Neonazis als Einladung. Sie ziehen sich aber zurück, wenn ihnen unmittelbarer, vielfältiger, unüberhörbarer Widerstand gezeigt wird. Die verspätete Gegenkundgebung in Scheinfeld wird den Neonazis aber nicht in unangenehmer Erinnerung bleiben, sie werden sich nur an das gelungene, unbehelligte Konzert erinnern." Für diese Theorie spricht auch Folgendes: Laut Fränkischer Landeszeitung (15.10.13) tauchten gegen Ende der "nachträglichen" Gegenkundgebung in Scheinfeld zwei NPDler mit NPD-Transparent auf, darunter Landesgeschäftsführer Michaelis aus Wachenroth.
Das öffentliche Agieren von Michaelis in Zusammenhang mit den Ereignissen in Scheinfeld (medial lanciertes Kaufinteresse an der Scheinfelder Disco und dem Oberrimbacher Gasthaus) deutet darauf hin, dass in der Region gerade zusätzlich "Immobilienpoker" gespielt wird: Schwer verkäufliche Immobilie wird vom Besitzer mittels NPD-Kontakten hochgepokert und dann von Gemeinde erworben, um NPD-Treffpunkt zu verhindern. In den letzten Jahren scheint die NPD allerdings selten ein ernsthaftes Kaufinteresse gehabt zu haben.
Focus online ("Tausend Besucher bei rechtem Rockkonzert", 13.10.2013): hier klicken!, nordbayern.de ("Kritik nach rechtem Rockkonzert in Scheinfeld", 14.10.2013): hier klicken!, Blick nach Rechts ("Neonazi-Spektakel in Mittelfranken", 14.10.2013): hier klicken!, BR online ("Öffentlichkeit wurde bewusst nicht informiert", 14.10.2013): hier klicken!, nordbayern.de ("Nach Nazi-Rockkonzert: Scheinfeld wehrt sich", 14.10.2013): hier klicken!, Endstation Rechts Bayern ("Scheinfeld wehrt sich – nach dem Nazi-Konzert", 15.10.2013): hier klicken!, nordbayern.de ("Scheinfeld nach Nazi-Gegendemo im Clinch mit Neustadt", 15.10.2013): hier klicken!, Störungsmelder ("Behörden verheimlichen Nazi Konzert", 17.10.2013): hier klicken!, nordbayern.de ("SPD ist bestürzt über Nazi-Konzert in Scheinfeld", 17.10.2013): hier klicken!, Endstation Rechts ("1.000 zufriedene Neonazis", 18.10.2013): hier klicken!, mainpost.de ("Hilflose Demokratie", 18.10.2013): hier klicken!, nordbayern.de ("Scheinfeld: Nazis wurden mit Schweigen unterstützt", 23.10.2013): hier klicken!
Nürnberg: Mutmaßlicher NSU-Bombenanschlag 1999 - schwere Ermittlungsfehler der Polizei: Das Opfer als Täter verdächtigt, nur Menschen türkischer Herkunft als Täter im Visier (Oktober 2013)
Nach neueren Recherchen des BR und des SWR ging die Polizei bereits beim ersten mutmaßlichen NSU-Bombenanschlag in Nürnberg nach mittlerweile altbekanntem Muster vor. Das mit Glück nur leicht verletzte 18-jährige Tatopfer Serkan Y. sei als Vorbestrafter zeitweise selbst in Verdacht geraten, die Taschenlampen-Rohrbombe hergestellt zu haben. Nachdem die Namen von drei türkischstämmigen Gästen, die zum Zeitpunkt des Anschlags in der Kneipe saßen, nicht ermittelt werden konnten, wurden die Ermittlungen eingestellt. "Für den vierten Gast interessierte sich die Polizei offenkundig nicht. Es sei ein Deutscher gewesen, gab Serkan Y. zu Protokoll. Er sei zuvor schon einmal in der Gaststätte gewesen und habe das Lokal am Vorabend um 23:30 Uhr verlassen" (BR Online, 4.10.13).
Der Hinweis auf den zunächst unbekannten rassistischen NSU-Anschlag in Nürnberg im Jahr 1999 kam von Carsten S., der derzeit mit Zschäpe & Co. in München vor Gericht steht. Am 11. Juni schilderte er im NSU-Prozess, wie Böhnhardt und Mundlos mit dem Anschlag geprahlt hätten (wir berichteten).
tagesschau.de ("Noch ein Opfer, dem man nicht glaubte", 3.10.2013): hier klicken!, BR online ("Ermittlungspannen in Nürnberg", 4.10.2013): hier klicken!
Coburg: Holocaust-Leugner zu Geldstrafe verurteilt (Oktober 2013)
Wie die Neue Presse Coburg am 1. Oktober berichtete, wurde vor dem Amtsgericht Coburg ein 87-jähriger Holocaust-Leugner wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Er hatte an mehrere Medien ein selbstverfasstes Traktat mit dem Titel "Die verleugnete Wahrheit" geschickt. Vor Gericht habe er sich mit dem Satz verteidigt: "Wenn Sie Ihr Volk und Vaterland lieben, können Sie nicht alles schlucken, was an Lügen geschrieben wird."
Neue Presse Coburg ("Geldstrafe wegen Volksverhetzung", 1.10.2013): hier klicken!
|